16.01.2020

Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit

Eine aktuelle Erscheinung und ihre praktischen Auswirkungen.

Während die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit seit jeher ein für den Arbeitgeber einzukalkulierendes Risiko darstellt, sehen sich in jüngster Zeit zahlreiche Arbeitgeber mit einem neuen Phänomen konfrontiert, welches als arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit umschrieben wird. Von einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit wird dann gesprochen, wenn der Arbeitnehmer nur in Bezug auf seine konkrete Stelle an der Arbeit verhindert ist, im Übrigen aber ganz normal einsatzfähig und auch in seiner privaten Lebensgestaltung kaum eingeschränkt ist.

In der Praxis finden sich solche Konstellationen häufig im Umfeld von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, sodass die Arbeitsverhinderung in der Grosszahl der Fälle auf psychische Erkrankungen zurückzuführen ist. Im Einzelfall sind aber auch andere Verhinderungsgründe denkbar, wie bspw. bei einer auftretenden Allergie, welche den Umgang mit am Arbeitsplatz vorhandenen Materialien verunmöglicht.

Als Arbeitgeber stellt sich dann in erster Linie die Frage, wie aus rechtlicher Sicht mit einer solchen Problematik umzugehen ist, da eine Rückkehr des Arbeitnehmers an den bisherigen Arbeitsplatz in den meisten Fällen fraglich ist. Ein Ausweg ist allenfalls im dem Arbeitgeber zustehenden Weisungsrecht zu erkennen, da der Arbeitgeber unter Umständen die Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz bzw. andere Arbeiten als vorübergehende, zumutbare Massnahme zuzuweisen.

Ebenfalls zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer auch bei rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für eine beschränkte Zeit hat, solange die attestierte Arbeitsunfähigkeit tatsächlich existiert und nicht selbst verschuldet wurde. Von einem solchen, den Lohnfortzahlungsanspruch ausschliessenden Selbstverschulden ist beispielsweise dann auszugehen, wenn die am Arbeitsplatz bestehende Konfliktsituation überwiegend durch den Arbeitnehmer selbst verursacht oder sogar absichtlich herbeigeführt wurde.

Eine weitere, zu beachtende Besonderheit im Rahmen der arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit ist im zeitlichen Kündigungsschutz zu sehen. Da der Arbeitnehmer abgesehen von seiner konkreten Stelle einsatzfähig und in seiner privaten Lebensgestaltung kaum beeinträchtigt ist, bedarf es bei rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit gemäss neueren Gerichtsentscheiden keines Kündigungsschutzes, da der Arbeitnehmer in seiner Stellensuche nicht eingeschränkt ist und dementsprechend auch keine geringeren Chancen in Bezug auf den Erhalt einer neuen Stelle zu befürchten hat.

Im Ergebnis schafft die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit somit zahlreiche Problemfelder, deren Bewältigung hohe Anforderungen an den Arbeitgeber stellt.