Diese Frage ist durchaus berechtigt. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Schweizer Bundesrat Mitte Dezember letzten Jahres verlautbart hat, dass er zwar gedenkt, die Rahmenbedingungen für die Blockchain-Technologie im Finanzsektor zu verbessern, jedoch keine grundlegenden Anpassungen des schweizerischen Rechts vornehmen wird.
Warum sollte denn Liechtenstein einen anderen Weg gehen, um Betriebe anzusiedeln, welche im Bereich der Blockchain-Technologie tätig sind?
EU schafft bald klare Regeln
Es ist zudem davon auszugehen, dass die Europäische Union schon bald klare Regeln für die Blockchain-Technologie und die Verwendung derselben in der Finanzindustrie vorgeben wird. Diese werden auch für Liechtenstein als EWR-Mitglied verbindlich sein. Mittlerweile liegen bereits ein Bericht der Europäischen Bankenaufsicht zu Kryptowährungen und eine Empfehlung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zu sogenannten «Initial Coin Offerings und Kryptowährungen» vor. Liechtenstein könnte auf weitere Vorgaben warten und die EU-Regelung adaptieren. Warum also dieser Alleingang?
Grosse Chance
Das ist die grosse Chance Liechtensteins: Der Vernehmlassungsentwurf betreffend die Schaffung eines Gesetzes über auf vertrauenswürdigen Technologien basierenden Transaktionssystemen (kurz «VTG-Gesetz» oder «Blockchain-Gesetz»), mit welchem Liechtenstein als erstes Land weltweit eine sogsogenannte «Token-Economy» schaffen will, hat hohe Wellen im In- und vor allem im Ausland geschlagen. Seitdem die Regierung diesen Entwurf publiziert und sich damit zur Blockchain-Technologie bekannt hat, haben viele dieses kryptofreundliche Umfeld erst wahrgenommen und Liechtenstein bewusst ausgewählt, um ihre Geschäftstätigkeit hier auszuüben. Kryptoafine Geschäftsleute suchen in erster Linie Rechtssicherheit. Diese finden sie in Liechtenstein. Treuhänder wurden bereits angefragt, FinTech-Gesellschaften zu gründen, Steuerberater wurden beigezogen, um Steueroptimierungen zu bewirken und Anwälte mussten helfen, kapitalmarktrechtliche Bewilligungen bei der Finanzmarktaufsicht zu erhalten oder zumindest die Bestätigung, dass keine solche Bewilligung nötig ist.
«Token» rechtlich wie Wertpapier
Nun, was ist denn eine «Token-Economy» überhaupt, die vom neuen Gesetz geschaffen werden soll? Dieses Blockchain-Gesetz ist das erste seiner Art, das den Token als rechtverbindliches Objekt definiert und übertragbar macht. Auch Eigentum kann daran bestehen.
Bis anhin ging man davon aus, dass es sich bei einem Token weder um eine Sache, noch um eine Forderung, sondern lediglich um einen Eintrag in einem dezentralen Register handelt, an dem kein Eigentum bestehen kann. Bitcoin als wohl bekanntester Token (bzw. Coin) wurde als algorithmisch gesicherter, aber immaterieller Vermögenswert betrachtet. Als reiner Eintrag in einem dezentralen Register konnte der Token aber keine Rechte repräsentieren. Mit dem gegenständlichen Blockchain- Gesetz hat Liechtenstein dem Token nun eine rechtliche Gestalt gegeben und bewirkt, dass dieser Token ähnlich wie ein Wertpapier Rechte verbriefen und übertragen kann – einfach in digitaler Form. Dies eröffnet selbstredend viele ungeahnte Möglichkeiten.
Zukünftig werden Gemälde «tokenisiert» also in Token «verbrieft» werden können und die Übertragung dieser virtuellen Rechte wird durch eine Änderung in der Blockchain d.h. also im dezentralen Register mittels eines «Private Keys» vorgenommen werden können. Gibt es fünf Tokeninhaber als Miteigentümer, werden diese ihre Anteile separat weiterübertragen können und allfällige Mieteinnahmen werden per «Smart Contracts» direkt den virtuellen Geldbörsen der Tokeninhaber (sog. Wallets) gutgeschrieben werden.
Georgien Vorreiter
Georgien war übrigens das erste Land, das sein Grundbuch auf die Blockchain gestellt hat. Begründet wurde dies mit einem schwindenden Verlust an Vertrauen in die Behörden. Zwar können nach wie vor Beamte Änderungen im Grundbuch vornehmen. Die Blockchain ist aber wie ein offenen Buch – für jeden transparent und alle Bürger können es sehen. Damit konnte das Vertrauen wiedergewonnen und ein Mehrwert geschaffen werden.
Geben wir dem Gesetz also eine Chance, indem wir Liechtenstein eine Chance geben, ein kleiner aber feiner FinTech-Standort zu werden, der unserer Finanzdienstleistungsindustrie eine neue Einnahmequelle verschafft.